Mein Studium in Deutschland – Ivan aus der Ukraine4. April 2023
Unser ehemaliger Schüler Ivan studiert seit 2021 Biotechnologie in Jena. Hier im Blog beschreibt er uns seinen Weg zum Studium in Deutschland und welche Tipps er für internationale Studierende hat.
Hallo Ivan, kannst du dich kurz vorstellen?
Gerne! Mein Name ist Ivan, ich bin 22 Jahre alt und komme aus Chmelnyzkyj, einer mittelgroßen Stadt im Westen der Ukraine, ungefähr zwischen Lemberg und Kyiw.
Wann hast du angefangen Deutsch zu lernen?
Schon während meiner Schulzeit hatte ich mir überlegt in Deutschland zu studieren. Die deutsche Sprache und Geschichte haben mir schon immer gefallen. Meine Eltern waren damit einverstanden, daher habe ich verstärkt Deutsch gelernt – drei Jahre lang als zweite Fremdsprache und in zusätzlichen Kursen außerhalb der Schule. In dieser Zeit war ich auch für einen Sommerkurs und Urlaub mit meinen Eltern in Deutschland, unter anderem in Berlin und Dresden.
Wie ging es nach der Schule weiter?
Nach meinem Schulabschluss in der Ukraine habe ich ein Jahr lang Medizin in Odessa studiert. Im Vergleich zu Deutschland war es dort relativ einfach einen Studienplatz zu bekommen. Ich will Menschen helfen, und eigentlich war es mein Ziel, Militärarzt zu werden.
Mit einem Jahr Studium in der Ukraine ist es möglich, ohne den Umweg über ein Studienkolleg, an einer Hochschule in Deutschland zu studieren. Über eine Agentur, die sich um administrative Dinge kümmerte, bin ich zum Humboldt-Institut gekommen, da mir diese Sprachschule empfohlen wurde. Mir war es wichtig, dass in der Sprachschule viel Deutsch gesprochen wird, dass es komfortable Zimmer und natürlich gute Lehrer gibt.
Für welchen Kursort hast du dich entschieden?
Ich habe mich für einen Deutschkurs in Berlin entschieden, da die Stadt so viele Möglichkeiten bietet. Die zentrale Lage der Schule ist super, ich konnte fast alles mit dem Fahrrad erledigen. Begonnen habe ich mit einem A2-Deutschkurs und am Ende war ich in der Stufe C2. Den B2-Deutschkurs fand ich am schwierigsten, am leichtesten fiel mir die Stufe A2.
Mein erster Schritt war, alles auf Deutsch zu machen: deutsche Filme schauen und meinen Computer und mein Handy auf Deutsch umzustellen. So habe ich mir meine eigene deutschsprachige Umgebung geschaffen.
Was hast du in deiner Freizeit und in Berlin gemacht?
Mein Lieblingshobby ist Fotografieren. Ich fotografiere seit 2016 sehr gerne und eigentlich fast alles außer Portraits. Meine Fotos veröffentliche ich auf Instagram unter kaiserfoto.
Außerdem interessiere ich mich für Geschichte, seit 2018 besonders für das Deutsche Kaiserreich. Deswegen hat mir ein Freund den Spitznamen Kaiser verpasst. Während des Deutschkurses habe ich verschiedene Bücher und Magazine auf Deutsch gelesen, auch über Fotografie. Ich sammle Münzen aus dem Kaiserreich, der Weimarer Republik oder der DDR. Dazu bin ich oft auf Flohmärkten in Berlin, wie dem am Mauerpark oder auf der Museumsinsel, unterwegs gewesen. Einmal habe ich ein Buch von 1915 in Frakturschrift gekauft. Ich habe zwei Monate gebraucht, um das Buch zu lesen und musste viele unbekannte Wörter nachschlagen.
Ansonsten kann ich in Berlin die vielen tollen Museen wie das Technische Museum, das Deutsche Museum, das DDR-Museum und allgemein die Museumsinsel empfehlen. Dort habe ich übrigens dieses schöne Foto mit dem Bode-Museum im Vordergrund gemacht:
Wie ging es mit deinem Studium weiter?
Ich habe noch einen offiziellen Sprachnachweis benötigt, um an einer Universität oder Hochschule zum Studium zugelassen zu werden. Ich habe mich für die Prüfung telc C1 Hochschule entschieden. Diese Prüfung war mir lieber als der TestDaF, da der mündliche Teil mit dem Lehrer stattfindet und man nicht nur über das Mikrofon mit einem Computer spricht.
Nach dem Deutschkurs war es etwas kompliziert einen Studienplatz für Medizin in Deutschland zu bekommen. Daher habe ich mich für Biotechnologie entschieden. Dieser Studiengang ist sehr vielfältig. Es geht um die Anwendung von biologischen Verfahren, um technische Probleme zu lösen, beispielsweise für die Herstellung von Lebensmitteln oder Medikamenten. Später verzweigt sich das Studium in Brauereiwesen und Pharmakologie. In letzterem Bereich möchte ich später arbeiten, da ich über Medikamente Menschen helfen kann, wieder gesund zu werden.
Das Studium der Biotechnologie wird unter anderem in Berlin, Hamburg, Jena und Mannheim angeboten. In Jena wurde der Studiengang stärker biologisch als technisch bewertet. Das war sehr wichtig, da ich mit meinem Studienjahr Medizin aus der Ukraine nur ein mit Biologie verwandtes Fach studieren darf. Nach meiner Zeit in Berlin wollte ich außerdem lieber in einer kleineren Stadt wohnen, wo man einfacher eine Wohnung finden kann. Meine Wahl fiel auf Jena, eine charmante Universitätsstadt, ungefähr drei Stunden südlich von Berlin.
Wie würdest du deinen Start ins Studium beschreiben?
Man hat auf jeden Fall mehr Verpflichtungen wie Seminare und Praktika. Und die Wege sind natürlich etwas länger als bei Humboldt. Sprachlich ist es mir einfach gefallen. Nur manchmal musste ich Wörter nachschlagen, aber die Dozenten und Mitstudenten haben mir immer geholfen. Auch in Prüfungen kann ich immer nachfragen.
Meine Umgebung hier besteht fast ausschließlich aus deutschen Studenten und alle sind sehr hilfsbereit. Das ist einer der Vorteile, wenn man an einer kleineren Hochschule studiert.
Aus deiner Erfahrung aus dem Deutschkurs und dem Studium: was sollten internationale Studierende beachten, wenn sie in Deutschland studieren möchten?
Ich finde es wichtig, die deutsche Mentalität zu verstehen. Dazu gehören für mich unter anderem Höflichkeit, Pünktlichkeit, Genauigkeit, wenig Smalltalk, sowie Regeln und Gesetze zu befolgen. Man sollte anderen Menschen gegenüber offen sein und sich so gut es geht integrieren. Gleichzeitig muss man wissen, was man möchte und keine Angst haben, seinen Weg zu gehen und Fragen zu stellen. Aber immer höflich sein!
An meiner Hochschule (Anmerkung: Ernst-Abbe-Hochschule Jena) habe ich noch keinen ukrainischen Studenten getroffen, obwohl mit Beginn des Krieges auch mehr Ukrainer nach Jena gekommen sind.
Allgemein habe ich in Jena sehr viele nette Menschen getroffen, neue Freunde gefunden und ich freue mich sehr, dass ich mich für Jena entschieden habe. Ich bin glücklich darüber, dass ich als Ausländer hier schnell akzeptiert wurde. Das hatte ich mir vorher nicht so einfach vorgestellt.
Außerdem ist die Jenaer Altstadt sehr schön und man sollte unbedingt die Thüringer Rostbratwurst probieren, die ist superlecker!
Vielen Dank, Ivan!
PS: In unserem Blog findet ihr übrigens weitere Interviews mit ehemaligen Schülern, die in Deutschland studieren, wie zum Beispiel: